Es besteht dringender Handlungsbedarf bei den ungenügenden Spitaltarifen

Den Spitäler laufen die Kosten davon. Grund sind die Teuerung auf Einkauf, Energie und Lohnanpassungen. Eine zeitgerechte Überwälzung auf die Tarife ist nicht möglich, da die-se in langwierigen Verfahren verhandelt werden müssen. Weder die Krankenversicherer (mit 45% Anteil am Tarif) noch die Kantone (mit 55% Anteil am Tarif) haben ein Interesse, höhere Entschädigungen zu bezahlen. Mittlerweile erleidet ein Mittelgrosses Spital mit einer Baserate von etwa 10'000 CHF bei einer Teuerung von 3%, die nicht via Tarifanpas-sung abgebildet wird, Mindererträge von etwa CHF 7 Mio. pro Jahr (Annahme: 25'000 stati-onäre Fälle). Die Politik gibt nun Gegensteuer: Verschiedene Vorstösse fordern, dass die Tarife mit einem Teuerungsindex versehen werden.

Spitäler in Schieflage: Immer mehr Spitäler geraten in Schieflage: Kantonsspital St. Gallen, Inselspital Bern, Kantonsspital Fribourg, Spital Uster, Kantonsspital Aarau, Kantonsspital Glarus, Kantonsspital Winterthur, etc. Alle schrieben 2022 / 2023 Defizite und/oder mussten von Kantonen und öffentlicher Hand mit massiven Finanzhilfen unterstützt werden. Personalentlassungen sind mittlerweile üblich (Hirslanden, Glarus, St. Gallen, etc.). Ebenso Spitalschliessungen (Münsingen, Tiefenau, vier Spitäler im Kanton St. Gallen, etc.). Bleibt die bange Frage: Was kommt 2024?

Weiter sinkende Erträge: KPMG prognostiziert für 2024 noch durchschnittlich 3,6% EBITDA bei den Schweizer Spitälern; die Beratungsgesellschaft hat die Geschäftsberichte von 48 Kliniken unterschiedlicher Grösse mit einem jährlichen Umsatz von insgesamt 20 Milliarden Franken durchleuchtet und die Finanzchefs von 26 Häusern befragt. Alarmierend ist aus Sicht der KPMG-Autoren, dass der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) im Schnitt deutlich unter der Zielmarke von 10 Prozent liegt – und weiter sinkt. 2022 betrug die EBITDA-Marge bereits miserable 4,3 Prozent, für das kommende Jahr rechnen die Finanzchefs der Spitäler noch mit 3,6 Prozent.

Markante Inflation: Druck auf Lohnerhöhungen, um Personal in Zeiten des Fachkräftemangels und steigender Lebenshaltungskosten zu halten; um 10 bis 50 Prozent höhere Energiepreise, teurerer Einkauf von Bedarfsmaterialien und Medizinbedarf, steigende Lebensmittelpreise sowie Baukosten (von plus 2 bis 15 Prozent seit 2021) – und das alles bei einem veralteten Tarif, der dazu führt, dass Leistungen im ambulanten Bereich um etwa 30 Prozent unterfinanziert sind, im stationären Bereich 10 Prozent.

Düstere Prognosen: Und jetzt kommt die Umsetzung der Pflegeinitiative dazu, die höhere Löhne, bessere Kinderbetreuung und Betreuungsschlüssel in der Pflege verlangt. Kurz: noch mehr Kosten. Während die Besserstellung der Pflege breit abgestützt ist, will die Kosten niemand tragen.

 

Ursachen und drohende Folgen  

Die Ursachen liegen in Konstruktionsfehlern im KVG. In den Zeiten der Einführung des neuen KVGs im Jahr1995 rechnete niemand mit Inflation. Der normale Rhythmus der Tarifverhandlungen/Tarifanpassungen hinkt der realen Entwicklung immer dramatischer hinterher.

Zu den teilweise seit den 90er Jahren (ambulant) resp. seit 2012 (stationär) unveränderten Tarifen, die mittlerweile chronisch unterfinanziert sind, kommen seit 2022 markante inflationäre Tendenzen – die Teuerung lag im 2023 bei durchschnittlich 2.1 Prozent – im Vergleich zu 2.8 Prozent im Vorjahr (Bundesamt für Statistik).

Wird eine Teuerung von 3% auf den Tarifen eines Zentrumsspitals mit 10’000.- Baserate nicht abgebildet, fehlen dem Spital Ende Jahr alleine bei den stationären 25’000 Fällen bereits um die 7,5 Mio. CHF Ertrag.

Geht es so weiter, geraten auch bisher einigermassen ökonomisch erfolgreiche Spitäler unverschuldet in die Schieflage.

Die Folge: Wie oben gezeigt, tendiert die Politik dazu, unterschiedslos alle Spitäler zu retten (Uster, GL, SG, FR, …).  Damit findet absehbar wieder keine Bereinigung in der Spitallandschaft statt, eine solche ist nach Ansicht aller Experten bereits im Gange und wohl auch nötig, da unsere Spitaldichte im Vergleich noch relativ hoch ist und sich daraus Ineffizienzen ergeben.

 

Lösungsansatz: Tarife passen sich via Index der Teuerung an

Die Politik gibt nun Gegensteuer: Ständerat Damian Müller, Präsident SGK-S, fordert im Verein mit einem Vorstoss der SGK-N und einer Standesinitiative aus SG, dass die Tarife mit einem Teuerungsindex versehen werden.

  • Ein Teuerungsausgleich auf den Tarifen würde wenigstens die betriebswirtschaftlich gesunden Häuser wieder auf den ökonomisch erfolgreichen Weg bringen (Betriebswirtschaftlich erfolgreich sind diejenigen Häuser, die bis zu Corona mindestens 10 Prozent EBITDA erreichten).
  • NB: Betriebswirtschaftlich ungenügend aufgestellten Häusern (Häuser mit dauerhaft unter 5 Prozent EBITDA Marge) wird dieser Teuerungsausgleich alleine nicht helfen.

Allmählich kippt die politische Stimmung in Richtung Anerkennung des Anpassungsbedarfs bei den Spitaltarifen.

Die SGK-N hat am 24.2.24 mit 12 zu 11 Stimmen beschlossen, ein Postulat (24.3014) einzureichen, mit dem untersucht werden soll, in welcher Weise die Teuerung in den Tarifverträgen der verschiedenen Leistungserbringenden berücksichtigt werden kann.

Postulatstext: Der Bundesrat wird beauftragt, zu prüfen und Bericht zu erstatten, wie sich die Teuerung auf die Tarife in der Krankenversicherung auswirkt, und welche Instrumente zur Verfügung stehen, um die Teuerungsentwicklung zu berücksichtigen. Insbesondere sind dabei die nichtärztlichen Leistungserbringenden zu beleuchten. 24.3014. (Medienmitteilung der SGK-N: Breite Unterstützung für ein Digitalisierungsprogramm im Gesundheitswesen (parlament.ch)

Das St. Galler Kantonsparlament unterstützte kürzlich einen Antrag der SP-Fraktion, wonach die kantonale Regierung in Bern per Standesinitiative höhere Spitaltarife fordern soll. Neben der gewünschten Tariferhöhung enthält der Antrag auch die Forderung nach einer automatischen Anpassung der Spitaltarife an die Teuerung. SP-Fraktionspräsidentin Bettina Surber mahnte, dass die Tarife der Zentrumsspitäler völlig falsch gesetzt seien: «Wir müssen dringend Gegensteuer geben». (Quelle: Medinside: St. Gallen startet Standesinitiative für höhere Spitaltarife (medinside.ch))

Am 4. März 24 hat der Präsident der SGK-S Damian Müller (LU) mit der Motion 24.3081 nachgedoppelt: Er definiert in seiner Forderung einen Mechanismus, der verhindern soll, dass diese Teuerungsanpassung immer erst im Nachhinein erfolgt.

Text: Der Bundesrat wird beauftragt, eine Vorlage mit folgendem Inhalt auszuarbeiten:  Das KVG wird dahingehend angepasst, dass eine Indexierung der stationären Tarife an die Preisentwicklung vorgesehen ist. Dabei sind die Nachteile des heutigen im KVG verankerten Benchmarkings zu überwinden, indem die Tarife, welche gemäss heutiger Praxis für das Jahr t auf Daten aus dem Jahr t-2 festgelegt werden, für die zwei Jahre mit der Teuerung aufzurechnen sind. In einem ersten Schritt wären für die Tarife 2025 ein Benchmarking auf Basis der Daten 2023 (liegen Mitte 2024 vor) durchzuführen, in einem zweiten Schritt die Aufrechnung der Teuerung 2024 und 2025 auf das Resultat aus Schritt 2 vorzunehmen. Da die Teuerung für 2025 Ende 2024 noch nicht bekannt ist, müsste für 2025 auf die offizielle Prognose des Bundes abgestützt werden. Als Basis der Berechnung der Teuerung muss der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) verwendet werden.

Tabelle: EBITDA Entwicklung Spitäler 2021/22 (Die Zahlen 23 fehlen noch grösstenteils)