Leistungserbringer brauchen Teuerungsausgleich auf den Tarifen und in der Pflegefinanzierung

Seit der Pandemie bringt eine Reihe von Entwicklungen das Schweizer Gesundheitssystem in Schwierigkeiten. Die Inflation mit steigenden Personalkosten, höheren Einkaufspreisen und ansteigenden Kapitalkosten kommt zu chronisch unterfinanzierten Tarifen hinzu und bringt praktisch alle Leistungserbringer ökonomisch in Bedrängnis. Die gegenwärtige unterschiedlich interpretierte Rechtslage zum Tarifwesen bewirkt, dass mittlerweile unser ganzes Versorgungssystem an einer eklatanten Unterfinanzierung leidet. Die Frage heisst: Welche sachgerechte Rechtfertigung gibt es, dass auch künftig Tarife und Taxpunktwerte stagnieren oder gar gesenkt werden, obwohl die Preise inflationär steigen?

Erste Auswirkungen der aktuellen Unterfinanzierungs-Probleme sind u.a. überfüllte Notfallstationen, Lieferengpässe bei den Medikamenten, sowie ein eklatanter Fachkräftemangel. Der Personalmangel bewirkt nicht betriebene Spitalbetten, längere Wartezeiten und Versorgungslücken infolge Unterbeständen an Ärzten, Pflege- und Apothekenpersonal, einzelnen Medikamenten und anderen Gesundheitsdienstleistungen. Besonders schwer wiegt der Umstand, dass keine Trendwende in Sichtweite ist.

Inflationäre Teuerung verschärft das Problem

Landesindex der Konsumentenpreise: Veränderung gegenüber Vorjahresmonat in %

Die Inflation ist in der Schweiz zu Jahresbeginn 2023 mit einem Plus von 3.3% deutlich gestiegen. Dies liegt vor allem an den stark steigenden Strompreisen als Bestandteil des Landesindex der Konsumentenpreise. Inzwischen ist die Inflation wieder etwas gesunken; im Mai lag sie bei 2.2%. Laut der im Dezember 2022 veröffentlichten Prognose des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) werden die Konsumentenpreise im Jahr 2023 um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen. Auch für 2024 erwartet das SECO eine Teuerung von plus 1,5 Prozent.

Mit der Teuerung sowie infolge politischen Eingriffen steigen insbesondere auch die Personalkosten (Bund und kantonale Behörden haben entsprechende Teuerungsanpassungen für das öffentliche Personal bereits beschlossen): Alle Leistungserbringer sind gezwungen,  im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel, im Bereich der Pflege  mit der Umsetzungs der Pflege-Initiative,  ihre Arbeitgeberattraktivität sichern. Auch diese Tendenz ist nach Jahren von stabilen Verhältnissen neu und wirkt sich zunehmend negativ auf die operativen Margen der Leistungserbringer im Gesundheitswesen aus.

Bemühungen für effiziente Leistungserbringung

In allen westlichen Industriegesellschaften steigen die Aufwendungen für die Gesundheitsversorgung. Über die letzten Jahre haben zahlreiche Bestrebungen, die von den Leistungserbringern initiiert und/oder mitgetragen wurden, dazu beigetragen, die Effizienz und Effektivität der Gesundheitsversorgung zu steigern. Insbesondere lassen Digitalisierung, höhere Gesundheitskompetenz und mehr Wettbewerb erwarten, dass diesbezüglich die Kosteneffizienz und Qualität weiter steigen werden.

Fehlgeleitete Kostendiskussion

Trotzdem verharrt die Politik in einer unfruchtbaren Diskussion über die angeblich seit Jahren «explodierenden Gesundheitskosten» – die gleichzeitig politisch gewollt hohe Qualität der erbrachten Leistungen bleibt unerwähnt. Während das Schweizer BIP zwischen 2000 und 2017 um mehr als 230 Milliarden CHF zulegte und die Lohnsumme in der Schweiz um stolze 150 Milliarden CHF anstieg, haben unsere Gesundheitskosten um ganze 17 Milliarden CHF zugenommen. Explosionen sehen anders aus.

Fehlender Teuerungsausgleich

Die Tarife der versicherten Leistungen werden primär in Tarifverträgen zwischen den Versicherern und Leistungserbringern vereinbart, die behördlich genehmigt werden müssen, oder durch die behördliche Festlegung von Beiträgen z.B. in der Pflegefinanzierung. Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) und auch die anderen Regulative (e.g. die Pflegefinanzierung) sehen keine  Anpassungsmechanismen wie etwa eine periodische Überprüfung der Entschädigungen und Tarife an die Inflation vor. Diese Tatsache ist in Zeiten der Inflation unhaltbar.

Betroffen ist das ganze Spektrum der Leistungserbringer

  • Spitäler sowie Alters- und Pflegeheime: Erträge können steigende Kosten nicht mehr decken
  • Ärzte- und Apothekerschaft: Kosten und Arbeit steigen, Erträge stagnieren, Tarifstruktur veraltet
  • Spitex: Wachsende Nachfrage, sinkende Entschädigungen
  • Gesundheitsberufe wie Physiotherapeut*Innen: Berufsauflagen steigen, Tarife stagnieren
  • Laborleistungen und Medikamente: angeordnete Tarifsenkungen, steigende Produktionskosten

Fazit: Die Leistungserbringer brauchen eine Anpassung der Tarife an die Teuerung: eine Revision der gesetzlichen Grundlagen, um die Teuerung in allen Tarif- und Entschädigungssystemen des Gesundheitswesens angemessen zu berücksichtigen, ist nötig.